
Zeit rennt uns nicht davon, sie trägt uns durchs Leben.“ Diesen Spruch habe ich kürzlich gelesen – und lange über die Aussage nachgedacht. Ist die Zeit ungleich verteilt? Wie erlebe ich die Arbeitszeit, die Freizeit?
Eigentlich hat der Tag für alle 24 Stunden. Doch manche Menschen haben mehr Freiräume, mehr intensive
Zeiten für Schlaf und Erholung. Andere fühlen sich ständig gehetzt. Im Arbeitsleben und in der Freizeit.
Wir optimieren unsere Freizeit, takten die wenigen Stunden am Wochenende durch und schauen weniger
darauf, wozu wir eigentlich Lust haben.Wie hoch ist der Grad der Selbstbestimmung über die
eigene Zeit? Bei uns Unternehmern eigentlich sehr groß. Nur, nutzen wir diese Selbstbestimmung eigent
lich? Ich habe in meinem 45-jährigen Arbeitsleben schon viel geschafft. Dachte ich jedenfalls. Jetzt bleibt
mir mehr Zeit, darüber nachzudenken, das Leben nochmals Revue passieren zu lassen. Und an der einen
oder anderen Stelle stellt sich ein Déjà-vu ein.
Mein Leben teilt sich in drei Teile. Die erste Phase: Da ist die Zeit bis zum 30sten Lebensjahr, in der ich viel Zeit für meine Selbstverwirklichung hatte. Ich konnte ausprobieren, verändern, anpassen, war frei. Die zweite Phase: Zwischen 30 und 60 Jahren war die Zeit des Aufbauens und Umbauens der Firma und die Zeit der Familie. Die dritte Phase: 60 Jahre bis … Die Auszeit. Ich arbeite an einem Aus-Klang. Ich arbeite deshalb schon viele Jahre an
meiner physischen und psychischen Gesundheit. Aus meiner Sich ist das die wichtigste Voraussetzung für die
dritte Phase. Ich habe mich bewusst für eine Entschleunigung im Betrieb und auch im Privaten entschieden,
habe meine Ziele neu formuliert, Wünsche und Träume sortiert und freie Zeit ohne schlechtes Gewissen
in den Alltag eingebaut. Mehr Ruhe, besserer Schlaf, ein stärkeres Immunsystem, die wunderschöne Natur genießen – das sind die Hauptziele. Ich habe dieses Experiment vor vielen Jahren begonnen. Ich habe vieles ausprobiert, verändert, angepasst. Gelassen mit mir selbst zu sein. Sich treiben zu lassen, spüren wie es sich anfühlt, nichts zu tun. Das Leben ist eine Schatzkammer. Es gibt noch so viel zu entdecken.
Was mir in diesem Zusammenhang aufgefallen ist: Wie viel es bedeutet, bewusster zu leben, alles intensiver zu erleben, mit einer gewissen Langsamkeit. Und genau das ist der Schlüssel, die Quintessenz. Das Hinhören, das Zuhören, das Aufhören.
Die Grenzen zwischen Arbeitszeit und Freizeit werden fließend. Aus der Sechs-Tage-Woche wird die Drei-Tage-Woche.
Es ist die Neugierde, die das neue Leben bestimmt. Dinge anders zu sehen, zu hinterfragen. Ich erlebe den Alltag wieder als Abenteuer. Ich nenne es: Glück in kleinen Portionen. Ich ändere meine Sicht auf die Dinge, auf die Menschen und letztendlich auch auf mich. Ich werde mit schönen Erlebnissen und Begegnungen belohnt. Ich nehme mir beispielsweise viel Zeit für Freunde und deren Vorlieben. So bereite ich immer im Januar eine Jahresplanung vor. Da werden verschiedene Aktivitäten für jeden Monat zusammengestellt, zwei Alternativtermine festgelegt. Dann kann sich jeder schon am Jahresanfang seine Zeiten besser einteilen. Ich nenne es zwölf Glücksmomente, denn ich bin ja Momente-Sammler. Mit dieser Vorbereitung gelingt ein Freundschafts-Jahr fast wie von selbst. Sie werden sehen: Mit vollen Akkus beginnt dann die Arbeitswoche. Gut gelaunt werden Kunden beraten und Partnerfirmen von einem besseren Preis überzeugt. Ja, es ist ein Aufwand, zeitlich und auch oft körperlich, da wir ja sowieso einen mehr oder weniger vollen Terminkalender haben.Diese Zeit für die Freunde ist gut angelegt. Die so vielen positiven Rückmeldungen und die Reaktionen sind meine kleinen Glücksmomente und die Zinsen meines Lebens. Sie wirken bei mir wie die Glückshormone Dopamin, Oxytocin und Phenylethylamin.
patrick.neumann@handwerk-magazin.de
Die Kolumne „Nah am Geschehen“ von Helmut Ecklkofer können Sie künftig mehrmals im Jahr in handwerk
magazin lesen. Mit seinen Geschichten möchte der Neuöttinger Handwerks-unternehmer die menschliche Seele
durchleuchten und Alltagsgedanken in Lebensweisheiten verwandeln.